Gesundheit am Arbeitsplatz: Die psychische Gefährdungsbeurteilung
Die Arbeitswelt steht nicht still. Der technische Fortschritt macht rasante Fortschritte, die Prozesse werden schnelllebiger und neben Fachwissen ist eine hohe Flexibilität gefordert. Die gestiegenen Anforderungen führen auch zu steigenden Belastungen der Arbeitnehmer. Laut Berichten der Krankenkassen steigt der Anteil an psychischen Erkrankungen kontinuierlich.
Häufig haben psychische Belastungen auch körperliche Erkrankungen zur Folge. Um Arbeitsausfälle zu vermeiden sollten Arbeitgeber daher ein grundlegendes Interesse daran haben, die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fördern.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden sicherzustellen und Maßnahmen zur Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren zu ergreifen, ist im Arbeitsschutzgesetz verankert. Dies beinhaltet auch die Feststellung und Vermeidung psychischer Gefährdungen. Dazu muss eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden.
In diesem Beitrag klären wir, was eine psychische Gefährdungsbeurteilung ist, wer sie verlangen und durchführen kann, welche Rolle der Betriebsrat spielt und wie ein Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstützend tätig werden kann.
Übersicht:
- Was ist eine psychische Gefährdungsbeurteilung?
- Gibt es eine Pflicht zur Durchführung? Wer kann die psychische Gefährdungsbeurteilung verlangen?
- Inhalte der psychischen Gefährdungsbeurteilung
- Wer kann eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchführen?
- Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
- Unterstützung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht
- Das Wichtigste in Kürze
- FAQ
1. Was ist eine psychische Gefährdungsbeurteilung?
Die psychische Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Sie als Arbeitgeber, die Gestaltung der Arbeit im Hinblick auf mögliche psychische Belastungen zu beurteilen.
Achtung: Es geht nicht um die Beurteilung der Beschäftigten als Person, sondern um eine Beurteilung der Rahmenbedingungen.
Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist also ein Verfahren, das zur Identifizierung und Bewertung von Risiken am Arbeitsplatz dient, welche psychische Belastungen für die Arbeitnehmer verursachen könnten. Diese Belastungen können von Stress und Überlastung bis zu Mobbing und Belästigung reichen.
Unter Belastung ist die Gesamtheit der Einflüsse zu verstehen, die im Arbeitsumfeld auf den Organismus und die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters einwirken. Inwieweit eine Belastung in der Folge auch zu einer gesundheitsbeeinflussenden Beanspruchung des Mitarbeiters wird, ist individuell.
2. Gibt es eine Pflicht zur Durchführung? Wer kann die psychische Gefährdungsbeurteilung verlangen?
Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beurteilung möglicher Gefährdungen der Beschäftigten, wie physikalische oder chemische Gefährdungen, ist in § 5 Arbeitsschutzgesetz verankert. Seit 2013 ist auch die Beurteilung möglicher psychischer Belastungen eingeschlossen.
Bitte beachten Sie: Es ist nicht ausreichend, wenn Sie als Arbeitgeber die Risiken einmalig beurteilen. Die Arbeitsbedingungen verändern sich kontinuierlich, analog müssen diese auch fortlaufend bewertet werden. Die Betriebssicherheitsverordnung schreibt die regelmäßige Überprüfung der Arbeitsbedingungen fest. Eine gesetzliche Frist existiert jedoch nicht.
Sie sollten sich jedoch verdeutlichen, dass die Gefährdungsbeurteilung Grundlage für eventuell zu ergreifende Schutzmaßnahmen ist.
- Damit dient sie nicht nur dem Wohlergehen der Mitarbeiter,
- sondern sichert durch die vorausschauende Vermeidung von Arbeitsausfällen auch
- den reibungslosen Ablauf der betrieblichen Prozesse.
Wenn Sie sich Arbeitnehmer gefährdet sehen, können Sie proaktiv eine psychische Gefährdungsbeurteilung verlangen. Es ist Ihr Recht, eine gesunde Arbeitsumgebung zu bestehen.
Achtung: Wird die Gefährdungsbeurteilung nicht oder unzureichend durchgeführt und kommt in der Folge ein Arbeitnehmer zu Schaden, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit Geldbußen bis hin zu Freiheitsstrafen belegt werden kann.
3. Inhalte der psychischen Gefährdungsbeurteilung
Folgende Bereiche werden im Rahmen der Gefährdungsanalyse für psychische Belastungen am Arbeitsplatz berücksichtigt:
- Arbeitsorganisation: Gestaltung der Arbeitszeit wie Schichtarbeit, Beurteilung der Arbeitsprozesse, Bewertung von Kommunikationswegen und Zusammenarbeit
- Arbeitsinhalte und Arbeitsaufgabe: Gestaltung von Handlungsspielräumen, Verantwortungsbereichen und Arbeitsinhalten wie auch Monotonie, fachliche Anforderungen und emotionale Belastung
- Soziale Beziehungen: Zusammenarbeit zwischen Kolleginnen und Kollegen sowie Austausch mit Vorgesetzten
- Arbeitsumgebung: Gestaltung der Arbeitsumgebung in Bezug auf mögliche belastende Faktoren wie Lärm im Großraumbüro oder auch Isoliertheit im Einzelbüro, Beurteilung der Ergonomie am Arbeitsplatz
- Arbeitsformen: Beurteilung der Rahmenbedingen, wie bspw. Befristung von Arbeitsverhältnissen, Arbeitsort wie Fernarbeit
Zur Beachtung: Psychische Gefährdungen am Arbeitsplatz lassen sich nicht anhand von Grenzwerten messen. Sie wirken individuell. Daher ist es notwendig, die Arbeitnehmer mit in die Beurteilung einzubeziehen – sie sind nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Experten für ihre Arbeitssituation. Deshalb sollte im Rahmen der psychischen Gefährdungsbeurteilung auch eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt werden.
4. Wer kann eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchführen?
Die Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung ist in erster Linie Aufgabe des Arbeitgebers und erfordert
- eine umfassende Begutachtung der Arbeitsbedingungen,
- die Rückkopplung mit den Mitarbeitern und
- die Entwicklung geeigneter Maßnahmen.
Der Arbeitgeber kann diese Aufgabe jedoch an eine geeignete und qualifizierte Person delegieren, wie z.B. einen Betriebsarzt oder einen Fachmann für Arbeitssicherheit. Diese können Sie als Arbeitgeber entsprechend beraten. Wichtig ist, dass die Durchführung der Beurteilung objektiv und fachgerecht erfolgt.
5. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
Der Betriebsrat hat in Bezug auf die Regelungen zum Gesundheitsschutz ein weitreichendes Mitspracherecht. Dieses begründet sich aus § 87 BetrVG und schließt auch die psychische Gefährdungsbeurteilung ein.
Er hat das Recht, an der Planung, Durchführung und Auswertung der Beurteilung beteiligt zu sein. Dazu gehört u.a. auch festzulegen, welche Tätigkeiten beurteilt werden sollen und worin eine mögliche Gefährdung liegen kann.
Wichtig: Notfalls kann der Betriebsrat eine psychische Gefährdungsbeurteilung auch erzwingen, insbesondere dann, wenn er Bedenken hinsichtlich des Gesundheitsschutzes der Mitarbeiter hat.
6. Unterstützung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht biete ich Arbeitnehmern und Arbeitgebern wertvolle Unterstützung. Ich kläre Arbeitnehmer über ihre Rechte auf und berate Arbeitgeber, wie sie ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen können.
Mein Anliegen ist es, im Falle von Streitigkeiten und Konflikten zu vermitteln und eine tragbare Lösung zu erarbeiten. Gesundheit ist ein wichtiges Gut, für das aus individueller und betrieblicher Sicht Sorge getragen werden sollte – lassen Sie sich beraten.
Bedenken Sie: Die Gefährdungsanalyse von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz trägt zu einer gesünderen und produktiveren Arbeitsumgebung beitragen.
7. Fazit
- Der Arbeitgeber ist gemäß Arbeitsschutzgesetz zur Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung verpflichtet
- Bewertet werden arbeitsplatz- und umfeldbezogene Risiken, die psychische Belastungen für Arbeitnehmer verursachen können
- Dem Betriebsrat obliegt im Rahmen des Gesundheitsschutzes ein weitreichendes Mitbestimmungsrecht, notfalls kann er eine psychische Gefährdungsbeurteilung erzwingen
- Auch Arbeitnehmer können eine Gefährdungsbeurteilung verlangen
- Arbeitnehmer sollen durch Mitarbeiterbefragung in die psychische Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden
- Bewertet werden Arbeitsorganisation, Arbeitsinhalte, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung sowie Arbeitsformen
- Die Durchführung kann an qualifizierte Personen wie den Betriebsarzt delegiert werden
- Eine einmalige Durchführung ist nicht ausreichend
- Mangelhafte oder ausbleibende Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung kann zu Geldbußen oder sogar Freiheitsstrafe führen
- Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt Arbeitnehmer über ihre Rechte auf und berät bei der Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen
8. FAQ
Was ist eine psychische Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz?
Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist ein Verfahren, das Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Rahmenbedingungen der Arbeit in Bezug auf mögliche psychische Belastungen zu beurteilen. Es zielt darauf ab, Risiken zu identifizieren, die von Stress bis zu Mobbing reichen können.
Wer ist zur Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung verpflichtet?
Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, regelmäßig eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Seit 2013 ist dies auch explizit für mögliche psychische Belastungen im Arbeitsschutzgesetz festgelegt.
Welche Bereiche werden bei der Gefährdungsanalyse für psychische Belastungen berücksichtigt?
Die Analyse umfasst Arbeitsorganisation, Arbeitsinhalte, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung und Arbeitsformen. Es werden individuelle Einflüsse betrachtet, die von Monotonie bis zu Lärm im Großraumbüro reichen.
Kann der Arbeitnehmer eine psychische Gefährdungsbeurteilung verlangen?
Ja, Arbeitnehmer haben das Recht, eine psychische Gefährdungsbeurteilung zu verlangen, wenn sie sich gefährdet fühlen.
Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung?
Der Betriebsrat hat in Bezug auf den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter ein weitreichendes Mitspracherecht. Das schließt die Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung ein. Er kann diese notfalls auch erzwingen.
Wer kann die psychische Gefährdungsbeurteilung durchführen?
Primär ist der Arbeitgeber für die Durchführung verantwortlich. Allerdings kann er die Aufgabe an qualifizierte Personen wie Betriebsärzte oder Fachleute für Arbeitssicherheit delegieren, um eine objektive und fachgerechte Durchführung sicherzustellen.
Wie kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstützen?
Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht bietet Unterstützung, indem er Arbeitnehmer über ihre Rechte aufklärt und Arbeitgeber in der Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen berät. Im Falle von Konflikten und Streitigkeiten strebt er eine Einigung mit für beide Parteien tragbaren Lösungen an.
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