Für Arbeitnehmer stellen sich bei einem Betriebsübergang viele Fragen. Nicht wenige befürchten tiefgreifende Veränderungen. In diesem Beitrag erklären wir, ob und wann Sie mit einem neuen Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang rechnen müssen.
Inhalt:
- Was ist ein Betriebsübergang?
- Kommt es nach dem Betriebsübergang zu einem neuen Arbeitsvertrag?
- Kann der Arbeitsvertrag vor dem Betriebsübergang geändert werden?
- Kann der Arbeitsvertrag nach dem Betriebsübergang geändert werden?
- Gelten Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge fort?
- Fazit
- FAQ
1. Was ist ein Betriebsübergang?
Bei einem Betriebsübergang geht ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen neuen Inhaber über. Gemeint ist hier hierbei der Betrieb als „wirtschaftliche Einheit“.
Zu dieser wirtschaftlichen Einheit gehören z.B. Maschinen, Fuhrpark, Kundenstamm und – besonders wichtig – die Arbeitsverträge.
Aber Achtung: Viele Sachverhalte, die nach einem Betriebsübergang aussehen, sind in Wirklichkeit kein Betriebsübergang.
Beispiele:
- Nicht jede Namensänderung ist auch schon ein Betriebsübergang. Bei einer reinen Umfirmierung ändert ein Unternehmen zwar seinen Namen, der Inhaber bleibt aber gleich. Umgekehrt kann ein Betriebsübergang sogar ohne Namensänderung erfolgen. Es kommt einzig und allein auf einen neuen Inhaber an.
- Werden bloß die Anteile der Gesellschaft (z.B. GmbH) verkauft, bleibt der Arbeitgeber unverändert (nämlich die Gesellschaft). Es ergeben sich keine Besonderheiten hinsichtlich des Arbeitsvertrags. Auf welche Weise Ihr Arbeitgeber „verkauft“ wird oder wurde, erfahren Sie von Ihrem Anwalt.
Im Video erläutere ich es genau. Schauen Sie es sich an.
2. Wird der Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang neu vereinbart?
Nein, es bleibt der alte Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang erhalten und geht automatisch auf den neuen Arbeitgeber über. So bestimmt es § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Vorschrift legt fest, dass bei einem Betriebsübergang der neue Betriebsinhaber „in die Rechte und Pflichten des bestehenden Arbeitsverhältnisses [eintritt]“.
Für den Arbeitnehmer ändert sich also nur der Vertragspartner. Er behält seinen alten Arbeitsvertrag und bekommt einen neuen Arbeitgeber. Dieser Übergang lässt sich auch nicht ausschließen.
Der Theorie nach können der alte oder neue Arbeitgeber diese Regelung auch nicht einfach umgehen, indem sie den Arbeitnehmer entlassen. Denn eine Kündigung wegen des Betriebsüberganges ist unwirksam (§ 613a Abs. 4 BGB).
Beispiel: Arbeitgeber A verkauft seinen Betrieb an B. Dieser möchte aus Prinzip lieber neue Arbeitnehmer einstellen und kündigt den bisher bei A tätigen Arbeitnehmern. Geht das?
Nein, Kündigungen anlässlich des Betriebsübergangs sind verboten. Wenn B den Betrieb des A kaufen möchte, muss er auch die Arbeitnehmer übernehmen.
Aber Vorsicht: Dieser Schutz ist in vielen Fällen nur schwach.
Eine Kündigung aus anderen Gründen als dem Betriebsübergang selbst ist weiterhin möglich (§ 613a Abs. 4 Satz 2). Das ist z.B. denkbar, wenn der Betrieb vor oder nach dem Übergang umstrukturiert wird. Dazu greifen Arbeitgeber etwa, um ihren Betrieb „verkaufsfähig“ zu machen oder die Arbeitsabläufe zwischen neuem und altem Betriebsteil zu harmonisieren.
Wann genau die betriebsbedingte Kündigung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang erlaubt ist, hängt allerdings sehr vom Einzelfall ab. Hier sind Sie auf den Rat eines erfahrenen Anwalts für Arbeitsrecht angewiesen.
Verhaltens- und personenbedingte Kündigung sind jedenfalls nicht eingeschränkt.
Beispiel: Arbeitnehmerin C kommt häufig zu spät zur Arbeit und wurde deshalb schon mehrfach abgemahnt. Will der Arbeitgeber ihr deshalb kündigen, steht der Betriebsübergang dem nicht im Wege.
3. Kann der Arbeitsvertrag vor dem Betriebsübergang geändert werden?
Auch im Arbeitsrecht gilt die Vertragsfreiheit: Jeder kann Verträge schließen und auch später wieder ändern, wenn er das möchte. Voraussetzung ist immer, dass auch der andere Vertragspartner der Änderung zustimmt. Eine einseitige Änderung ist nicht möglich.
Grundsätzlich kann auch ein Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang daher jederzeit geändert werden, sofern sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer einverstanden sind. Meist wird hierzu ein Änderungsvertrag unterschrieben. Das geht auch vor einem Betriebsübergang.
Selbst Entgeltreduzierungen sind vor dem Betriebsübergang zulässig (LAG Mecklenburg – Vorpommern, 11.03.2015 – 3 Sa 128/14).
Etwas Anderes kann allerdings gelten, wenn der Änderungsvertrag als Bedingung für den Übergang des Arbeitsverhältnisses dargestellt wird.
Beispiel: Dem Arbeitnehmer wird vermittelt, dass er den Änderungsvertrag unterschreiben müsse, um überhaupt beim neuen Arbeitgeber anfangen zu dürfen.
Zudem sehen die Gerichte Vereinbarungen kritisch, die in bereits entstandene Rechte der Arbeitnehmer eingreifen.
Beispiel: Der bisherige Arbeitgeber und der Arbeitnehmer schließen einen Erlassvertrag. Er hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer auf ausstehendes Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie seine bisherigen Rentenanwartschaften verzichtet. Ausdrückliches Ziel ist es, „Klarheit“ hinsichtlich dieser Ansprüche für den Betriebsübergang zu schaffen (angelehnt an BAG 8 AZR 722/07).
Eine weitere Einschränkung kommt hinzu. Verträge, auch Änderungsverträge, dürfen nicht sittenwidrig sein. Andernfalls sind sie nichtig und binden die Vertragsparteien nicht. Wann genau ein Vertrag sittenwidrig ist, beurteilen Gerichte von Fall zu Fall anders.
Sittenwidrigkeit kann aber nicht nur zugunsten, sondern auch zuungunsten des Arbeitnehmers angenommen werden. Denn auch der Arbeitnehmer muss sich korrekt verhalten.
Beispiel: Arbeitnehmer A arbeitet für Firma B. Das Unternehmen soll bald auf Firma C übergehen. Kurz vorher schließen A und B einen Änderungsvertrag, nach dem A doppelt so viel Lohn wie bisher erhalten soll. A und B wissen, dass C später wegen des Betriebsüberganges an diesen Vertrag gebunden ist und dem A dauerhaft mehr Geld zahlen muss.
Ist diese Vereinbarung wirksam?
Nein, B hätte den Änderungsvertrag ohne den Betriebsübergang nie geschlossen. Er hat dies nur in der Gewissheit getan, dass er selbst den höheren Lohn nicht mehr zahlen muss. Die Kosten so auf den Neuinhaber „abzuwälzen“, kann aber unter Umständen sittenwidrig sein. Dann würde der alte Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang unverändert fortgelten.
Sollte in engem Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ein Änderungsvertrag geschlossen werden, lohnt sich also oft die Überprüfung durch einen erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht.
Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass die Rechtslage hier sehr unübersichtlich und dieser Beitrag nur einen ersten Eindruck verschaffen kann.
4. Kann der Arbeitsvertrag nach dem Betriebsübergang geändert werden?
Der Inhalt des Arbeitsvertrags ändert sich durch einen Betriebsübergang grundsätzlich nicht. Nach § 613a Abs. 1 S. 1 tritt der Neuinhaber in die „Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses“ ein.
Dies bedeutet, dass er die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen so übernimmt, wie sie bisher gegolten haben. Der Neuinhaber muss also die bisherigen Gehälter einschließlich der Sondervergütungen zahlen.
Beispiel: A arbeitet für B. Der Betrieb geht jetzt komplett auf Firma C über. C möchte dem A nun weniger Lohn zahlen, da das bei ihm so üblich sei. Geht das? Nein, denn C muss A weiterhin dessen alten Lohn zahlen.
Eine einseitige Änderung nur aufgrund des Betriebsübergangs ist nicht möglich.
Natürlich ist jedoch der Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang nicht in Stein gemeißelt. Neuinhaber und Arbeitnehmer können den Vertrag jederzeit in gegenseitigem Einverständnis ändern.
Das ist z.B. durch Abschluss eines neuen Vertrages oder eines Änderungsvertrages möglich. § 613a BGB verhindert diese Möglichkeit nicht.
Beispiel: Die von C gewollte Gehaltsreduzierung lässt sich durchsetzen, wenn A dem entsprechenden Änderungsvertrag zustimmt.
Auch nach dem Betriebsübergang haben die Gerichte in der Vergangenheit Vereinbarungen für unwirksam erklärt, die bereits entstandene Rechte erlöschen ließen (z.B. Rentenanwartschaften). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht die Frage letztlich offen gelassen (BAG, 5 AZR 1007/06).
In solchen Fällen lohnt sich daher der Rat eines Anwalts.
Beim Betriebsübergang kann es passieren, dass die übernommenen Arbeitnehmer über günstigere Arbeitsbedingungen verfügen als die bereits zuvor beim Neuinhaber beschäftigten Arbeitnehmer.
Das berechtigt den Neuinhaber aber nicht, die Arbeitsbedingungen einseitig unter Hinweis auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz anzupassen.
5. Gelten Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen fort?
Arbeitnehmer genießen durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen oft eine Vielzahl an Vergünstigungen. Diese sollen ihnen auch bei einem Betriebsübergang grundsätzlich erhalten bleiben.
Der Tarifvertrag gilt bei einem Betriebsübergang daher grundsätzlich weiter.
Im Einzelnen sind aber verschiedene Konstellationen zu unterscheiden (grobe Einteilung):
- Der Neuinhaber unterliegt demselben Tarifvertrag wie das übergegangene Unternehmen. An der Geltung des Tarifvertrages ändert sich dann nichts.
- Der Neuinhaber unterliegt einem anderen Tarifvertrag wie das übergegangene Unternehmen. Dann gilt für die übernommenen Arbeitnehmer der Tarifvertrag des Neuinhabers – jedoch nur, wenn sie Mitglied in einer Gewerkschaft sind, die diesen Tarifvertrag abgeschlossen hat.
- Sind die Arbeitnehmer Mitglieder einer Gewerkschaft, die nur den bisherigen Tarifvertrag abgeschlossen hat, werden diese alten tarifvertraglichen Bestimmungen Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber kann dies erst nach einem Jahr ändern, § 613a Abs. 1 S. 2. Allerdings braucht er dazu eine stichhaltige Begründung im Rahmen einer Änderungskündigung. Keineswegs kann er die Änderung einfach “nach Lust und Laune” vornehmen.
Auch Betriebsvereinbarungen gelten nach § 613a Abs. 1 S. 2 fort. Das gilt nach Satz 3 aber nicht, wenn beim Neuinhaber bereits eine Betriebsvereinbarung zum selben Regelungsgegenstand besteht. Dann kann die alte Betriebsvereinbarung ersetzt werden.
Im Einzelfall können sich bei der Fortgeltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen aber Besonderheiten ergeben. Arbeitnehmer sollten sich daher im Zweifelsfall an ihren Betriebsrat oder einen Anwalt wenden.
6. Fazit
Bei einem Betriebsübergang geht ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen neuen Inhaber über.
Arbeitnehmern darf wegen des Betriebsüberganges nicht gekündigt werden. Allerdings sind Kündigungen im zeitlichen Zusammenhang nicht ausgeschlossen.
Sowohl vor als auch nach einem Betriebsübergang können Arbeitsverträge grundsätzlich im Einvernehmen geändert werden. Es gelten allerdings Einschränkungen, insbesondere bei bereits erworbenen Ansprüchen.
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gelten beim Betriebsübergang fort. Im Einzelfall können sie aber durch ähnliche Regelungen ersetzt werden.
FAQ zum Thema Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang
Wird der Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang automatisch durch einen neuen Vertrag ersetzt?
Bei Betriebsübergang bleibt der alte Arbeitsvertrag erhalten und geht automatisch auf den neuen Arbeitgeber über. Für den Arbeitnehmer ändert sich also nur der Vertragspartner. Er behält seinen alten Arbeitsvertrag und bekommt einen neuen Arbeitgeber.
Dieser Übergang lässt sich auch nicht ausschließen.
Kann bei Betriebsübergang ein neuer Arbeitsvertrag ausgestellt werden?
Grundsätzlich ist der Arbeitsvertrag bei Betriebsübergang nicht in Stein gemeißelt. Neuinhaber und Arbeitnehmer können den Vertrag jederzeit in gegenseitigem Einverständnis ändern.
Das ist z.B. durch Abschluss eines neuen Vertrages oder eines Änderungsvertrages möglich.
Ist ein Änderungsvertrag im Kontext des Betriebsübergangs möglich?
Ein Arbeitsvertrag kann jederzeit geändert werden, sofern sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer einverstanden sind. Meist wird hierzu ein Änderungsvertrag unterschrieben. Das geht auch vor einem Betriebsübergang.
Sollte in engem Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ein Änderungsvertrag geschlossen werden, lohnt sich also oft die Überprüfung durch einen erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht.
Kann der neue Arbeitgeber mich zwingen, einen neuen Vertrag zu unterschreiben?
Nein. Eine einseitige Änderung nur aufgrund des Betriebsübergangs ist nicht möglich.
Voraussetzung ist immer, dass auch Sie als Vertragspartner der Vertragsanpassung zustimmen und mit Ihrer Unterschrift bestätigen.
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