Arbeitnehmer sollten ein Arbeitszeugnis prüfen lassen, um berufliche Nachteile bei einer späteren Bewerbung zu vermeiden. Negative Formulierungen, schlechte Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen oder Formulierungen, die den positiven Eindruck eines qualifizierten Arbeitszeugnisses relativieren, müssen Arbeitnehmer in einem Zeugnis nicht hinnehmen.
Das qualifizierte Arbeitszeugnis unterliegt den Grundsätzen der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit, muss aber auch wohlwollend und berufsfördernd sein. Selbst wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat, spielt dies für das Arbeitszeugnis nicht zwingend eine Rolle.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Michael Tillmann erläutert in diesem Beitrag, welche Ansprüche Arbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitszeugnisses haben, auf welche Formulierungen Arbeitnehmer in jedem Fall achten sollten und warum es sinnvoll ist, den Inhalt eines Arbeitszeugnisses durch einen Fachanwalt prüfen zu lassen.
Übersicht:
- Habe ich einen Anspruch auf ein Zeugnis?
- Was tun, wenn kein Zeugnis ausgestellt wird?
- Was darf ein Arbeitgeber nicht ins Zeugnis schreiben?
- Wie kann ich prüfen, ob mein Arbeitszeugnis gut ist?
- Fazit
- FAQ
1. Habe ich einen Anspruch auf ein Zeugnis?
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sei es durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag, hat der Arbeitnehmer gemäß § 630 BGB und § 109 GewO Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Dabei kann der Arbeitnehmer entweder ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis verlangen, § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO.
Das einfache Arbeitszeugnis ist lediglich eine Bescheinigung über die Dauer der Beschäftigung und die Tätigkeit des Arbeitnehmers. Eine Bewertung der Leistungen des Arbeitnehmers enthält das einfache Zeugnis nicht. Das einfache Zeugnis eignet sich insbesondere für kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse.
Qualifiziertes Zeugnis muss förderlich sein
Der Arbeitnehmer kann von seinem Arbeitgeber auch die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses verlangen. Das qualifizierte Zeugnis ist ausführlicher und enthält neben der Beschreibung und der Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers auch dessen Leistung, Sozialverhalten und ggf. Führungsverhalten (wenn der Arbeitnehmer Führungsverantwortung getragen hat).
Da das qualifizierte Zeugnis insbesondere Bewertungen der Leistung sowie Leistungsfähigkeit und des Sozialverhaltens des Arbeitnehmers enthält, die für sein berufliches Fortkommen förderlich oder hinderlich sein können, ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich im qualifizierten Zeugnis nur wohlwollend und berufsfördernd sowie der Wahrheit entsprechend über den Arbeitnehmer zu äußern.
Eigene Zeugnissprache
Das Arbeitszeugnis ist kein Schulzeugnis und enthält daher auch keine Noten für einzelne Beurteilungskriterien wie Arbeitsweise, Leistung, Sozialverhalten, Kommunikationsverhalten oder für die Gesamtbeurteilung. Zwar wird auch in einem qualifizierten Arbeitszeugnis eine bestimmte Notenskala verwendet, diese wird aber durch bestimmte Formulierungen in eine eigene Zeugnissprache umgewandelt.
Wenn man als Laie diese Formulierungen und die Zeugnissprache aber nicht kennt, kann man kaum nachvollziehen, welcher Schulnote die Beurteilung des Arbeitgebers entspricht und ob das Zeugnis durch diese Formulierung noch berufsfördernd und wahrheitsgemäß ist.
2. Was tun, wenn kein Zeugnis ausgestellt wird?
Das Arbeitszeugnis des aktuellen Arbeitgebers ist für einen zukünftigen Arbeitgeber in der Regel zumindest eines der Kriterien, um zu entscheiden, ob er den Arbeitnehmer einstellt oder nicht. Allein aufgrund eines Zeugnisses wird zwar sicherlich niemand eingestellt – aber umgekehrt kann ein schlechtes Zeugnis vielleicht dazu führen, dass ein Bewerber gleich am Anfang “aussortiert” wird. Ein schlechtes oder fehlendes Arbeitszeugnis schmälert daher die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt.
Wenn der Arbeitgeber, mit dem ein Arbeitsverhältnis endet, kein Arbeitszeugnis ausstellt, sollte der Arbeitnehmer dies daher nicht hinnehmen. Da der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, ein wohlwollendes und berufsförderndes Zeugnis auszustellen, kann der Arbeitnehmer die Ausstellung vor dem Arbeitsgericht erzwingen.
Vor einer Klage beim Arbeitsgericht sollte der Arbeitgeber, insbesondere mit Hilfe eines Fachanwalts für Arbeitsrecht, aufgefordert werden, ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen.
3. Was darf ein Arbeitgeber nicht ins Zeugnis schreiben?
Arbeitszeugnisse haben eine eigene Sprache mit eigenen Formulierungen. Manchmal klingen diese Formulierungen harmlos oder sogar positiv, obwohl sie nicht so gemeint sind. Solche Formulierungen haben in einem Arbeitszeugnis schon deshalb nichts zu suchen, weil das Zeugnis für die berufliche Zukunft in einem solchen Fall nicht mehr förderlich ist.
Kündigungsgrund darf nicht genannt werden
Der Kündigungsgrund darf nicht im Arbeitszeugnis genannt werden, auch wenn das Arbeitsverhältnis durch eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers wegen einer schweren Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers beendet wurde. Ebenso hat die Tatsache der Kündigung als einmaliges Fehlverhalten keinen Einfluss auf die Gesamtbeurteilung des Zeugnisses. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer die Nennung des Beendigungsgrundes verlangt – was sich regelmäßig im Falle einer betriebsbedingten Kündigung oder einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers empfiehlt.
Gegenstand des Zeugnisses ist die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein einmaliges Fehlverhalten kann daher eine schlechte Beurteilung im Zeugnis nicht rechtfertigen, auch wenn dies zu einer Kündigung geführt hat.
Ob das Arbeitsverhältnis durch Kündigung, Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag endet, ist für die Leistungs- und Verhaltensbewertung im Zeugnis ohne Belang.
Betriebsratstätigkeit
Arbeitszeugnisse unterscheiden sich stark von Schul- oder Ausbildungszeugnissen. Wer sich z. B. in der Schule als Klassensprecher oder Schulsprecher für die Mitbestimmung der Schüler eingesetzt hat, erhält für dieses Engagement eine lobende Erwähnung im Zeugnis.
Das Engagement für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Personal- oder Betriebsrat wird jedoch von einem möglichen neuen Arbeitgeber bei einer Bewerbung in der Regel nicht als positive Eigenschaft oder Leistung des Arbeitnehmers gewertet. Daher darf der das Zeugnis ausstellende Arbeitgeber die Tätigkeit des Arbeitnehmers als Betriebsratsmitglied nur mit Zustimmung oder auf Verlangen des Arbeitnehmers in dessen Arbeitszeugnis aufnehmen.
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn der Arbeitnehmer für seine Betriebsratstätigkeit über Jahre hinweg vollständig von der eigentlichen beruflichen Tätigkeit freigestellt war.
Ehrenamtliche Tätigkeiten und Gesundheitszustand
Ob der Arbeitnehmer einer bestimmten Gewerkschaft, Partei oder Religionsgemeinschaft angehört, gehört nicht in ein Arbeitszeugnis, selbst wenn der Arbeitgeber davon Kenntnis hat. Gleiches gilt für die sexuelle Orientierung, den Gesundheitszustand oder eine eventuelle Schwerbehinderung des Arbeitnehmers.
Wünscht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis z.B. in der Schlussformel „alles Gute für die Zukunft“, darf der Zusatz „und viel Gesundheit“ nicht erwähnt werden. Aus diesem Zusatz könnte geschlossen werden, dass es um die Gesundheit des Arbeitnehmers nicht gut stand oder dass der Arbeitnehmer häufiger bzw. länger arbeitsunfähig war.
Gleiches gilt für die Erwähnung, dass der Arbeitnehmer „nie unentschuldigt gefehlt hat“ oder die Verwendung der Zeitform Plusquamperfekt und das Weglassen des Austrittsdatums zu Beginn des Zeugnisses („Herr/Frau X war am 01.05.2019 bei uns eingestellt worden“).
Erfahren Sie hier mehr über wichtige Fristen bei der Kündigung.
Zeugnisdatum
Das Arbeitszeugnis ist stets auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses zu datieren. Auch wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung streiten und das Zeugnis erst nach dem Rechtsstreit ausgestellt wird, trägt das Zeugnis das Datum des letzten Beschäftigungstages.
Lägen zwischen dem letzten Beschäftigungstag und dem Ausstellungsdatum des Zeugnisses mehrere Monate, könnte ein potenzieller Arbeitgeber daran erkennen, dass ein Rechtsstreit geführt wurde und somit eine arbeitgeberseitige Kündigung vorlag.
Wird das Arbeitszeugnis an einem „krummen“ Datum ausgestellt, z.B. am 25. eines Monats, bzw. endet das Arbeitsverhältnis an diesem Tag, könnte ein neuer Arbeitgeber zwar erkennen, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung gehandelt hat. Der Arbeitnehmer muss dies jedoch hinnehmen, wenn die Kündigung rechtmäßig war.
4. Wie erkenne ich, ob mein Arbeitszeugnis gut ist?
Ob ein Arbeitszeugnis Formulierungen enthält, die für den Arbeitnehmer beruflich ungünstig oder nicht wohlwollend sind, kann in der Regel nur ein Fachanwalt für Arbeitsrecht beurteilen. Arbeitnehmer, die nicht täglich mit Formulierungen in Arbeitszeugnissen zu tun haben, können kaum erkennen, welche Formulierungen für ihr berufliches Fortkommen gerade nicht förderlich sind oder sie in einem schlechten Licht erscheinen lassen.
Unzulässige Formulierungen oder Codes im Arbeitszeugnis können zu schlechten Einstellungschancen führen. Arbeitnehmer sollten daher ihr Arbeitszeugnis überprüfen lassen. Auch wenn man den Entwurf eines Arbeitszeugnisses selbst verfassen darf, ist man als Arbeitnehmer nicht davor gefeit, aus Unerfahrenheit Formulierungen zu verwenden, die ein schlechtes Bild von Leistung oder Verhalten vermitteln.
Kann ich mein Arbeitszeugnis prüfen lassen?
Um berufliche Nachteile durch ein nicht berufsförderndes Arbeitszeugnis zu vermeiden, biete ich Ihnen die inhaltliche Überprüfung Ihres Arbeitszeugnisses in Zusammenarbeit mit einem Personalberater an. Personalberater haben einen noch aktuelleren und weiter gefächerten Blick auf einen Zeugnistext. Oft liegt die Problematik gar nicht so sehr in rechtlichen unzulässigen, sondern eher in ungeschickten Formulierungen.
Bei negativen Inhalten, die gerade nicht berufsfördernd sind, haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zeugnisberichtigung. Bei solchen Inhalten berate ich Sie über die rechtlichen Möglichkeiten und das weitere Vorgehen.
Das Vorgehen gegen ein Zeugnis sollte mit Bedacht gewählt werden, da abgesehen von den o.g. rechtlichen Tabus die Formulierung grundsätzlich Sache des Arbeitgebers ist. Das betrifft auch eine übliche Abschlussklausel mit guten Wünschen. Insoweit ist die rechtliche Position des Arbeitnehmers oft sehr schwach. Umso wichtiger ist es, im Einzelfall das geeignete Vorgehen zu wählen.
5. Fazit
- Anspruch auf Arbeitszeugnis: Nach deutschem Recht hat ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, entweder auf ein einfaches oder auf ein qualifiziertes.
- Einfaches vs. qualifiziertes Zeugnis: Ein einfaches Zeugnis bescheinigt nur die Dauer der Beschäftigung und die Tätigkeit, während ein qualifiziertes Zeugnis detaillierter ist und Leistung, Sozialverhalten und Führungsverhalten (falls relevant) einschließt.
- Zeugnissprache: Arbeitszeugnisse verwenden eine spezielle Zeugnissprache, die für Laien schwer zu verstehen ist, daher ist eine Überprüfung wichtig.
- Kein Zeugnis erhalten: Wenn der Arbeitgeber kein Zeugnis ausstellt, kann der Arbeitnehmer die Ausstellung vor dem Arbeitsgericht erzwingen und sollte den Arbeitgeber zur Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses auffordern.
- Unzulässige Inhalte: Ein Arbeitszeugnis darf keine negativen Bemerkungen zum Kündigungsgrund oder persönliche Informationen wie politische Zugehörigkeit oder Gesundheitszustand enthalten. Das Zeugnisdatum sollte dem letzten Arbeitstag entsprechen.
6. FAQ
Wie erkenne ich, dass mein Arbeitszeugnis gut ist?
Ein gutes Arbeitszeugnis erkennt man an wohlwollenden und berufsfördernden Formulierungen sowie positiven Bewertungen von Leistung, Sozialverhalten und Führungsqualitäten.
Was darf ein Arbeitgeber nicht ins Zeugnis schreiben?
Ein Arbeitgeber darf im Arbeitszeugnis keine negativen Bemerkungen zum Kündigungsgrund, persönliche Informationen wie politische Zugehörigkeit oder Gesundheitszustand des Arbeitnehmers erwähnen. Zudem darf der Kündigungsgrund nicht genannt werden, es sei denn, der Arbeitnehmer verlangt dies. Das Zeugnisdatum sollte dem letzten Arbeitstag entsprechen.
Habe ich einen Anspruch auf ein Zeugnis?
Ja, gemäß § 630 BGB und § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Dies kann ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis sein, abhängig von der gewünschten Detailtiefe.
Warum sollte ich mein Arbeitszeugnis überprüfen lassen?
Arbeitszeugnisse spielen eine entscheidende Rolle bei Bewerbungen und können berufliche Chancen beeinflussen. Ungünstige Formulierungen, fehlendes Wohlwollen oder unklare Bewertungen können die Einstellungschancen mindern. Daher ist es ratsam, das Zeugnis von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen zu lassen. Durch diese Überprüfung können potenziell nachteilige Inhalte erkannt und korrigiert werden, um sicherzustellen, dass das Zeugnis die berufliche Zukunft nicht beeinträchtigt.
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