Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben auf dem Arbeitsmarkt oft schlechtere Chancen. Umso wichtiger ist ein guter Kündigungsschutz.
Welchen Kündigungsschutz Schwerbehinderte haben und was man sonst noch zur Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer wissen sollte, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Inhalt
- Habe ich Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderter?
- Wie sind Schwerbehinderte vor einer Kündigung geschützt?
- Wann ist eine Kündigung Schwerbehinderter wegen Krankheit möglich?
- Was gilt für eine Kündigung Schwerbehinderter im Kleinbetrieb und in der Probezeit?
- Welche Kündigungsfrist gilt für schwerbehinderte Arbeitnehmer?
- Ich wurde gekündigt – was soll ich tun?
- FAQ
1. Habe ich Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderter?
Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind besonders schutzbedürftig. Um in den Genuss des sog. besonderen Kündigungsschutzes zu kommen, müssen Sie einige Anforderungen erfüllen.
Schwerbehinderung nachgewiesen
Sie müssen Ihre Schwerbehinderung im Zeitpunkt der Kündigung nachgewiesen haben. In aller Regel geschieht dies durch eine behördliche Feststellung.
Der festgestellte Grad der Behinderung (GdB) muss mindestens 50 betragen.
Auch wenn Sie keinen Nachweis der Behörde haben, genießen Sie trotzdem Sonderkündigungsschutz, wenn Ihre Schwerbehinderung offensichtlich ist. Einem Rollstuhlfahrer wird der Arbeitgeber beispielsweise kaum die Schwerbehinderung absprechen können.
Liegt der GdB zwischen 30 und 50, werden Sie einem Schwerbehinderten eventuell auf Antrag gleichgestellt. Davon ist auszugehen, wenn Sie trotz des geringeren GdB ähnliche Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden.
Der Arbeitgeber muss allerdings auch Kenntnis von der Schwerbehinderung bzw. der Gleichstellung haben oder diese jedenfalls zeitnah nach der Kündigung erhalten.
Mindestdauer überschritten
Ihr Arbeitsverhältnis muss bereits länger als sechs Monate ununterbrochen bestanden haben (§ 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX). Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in dem Sie die Kündigung erhalten – unabhängig davon, welches Datum das Schreiben trägt.
In den ersten sechs Monaten der Beschäftigung sind hingegen auch schwerbehinderte Arbeitnehmer kaum vor Kündigungen geschützt.
Sonderregelung für ältere Arbeitnehmer
Sind Sie älter als 58 Jahre, sollten Sie der Kündigung unter Umständen widersprechen.
Denn: Wird Ihnen im Sozialplan eine Abfindung zugesprochen und informiert Ihr Arbeitgeber Sie im Vorhinein über die bevorstehende Kündigung, gilt für Sie kein besonderer Kündigungsschutz.
Das können Sie nur ändern, indem Sie Ihrer Entlassung im Vorhinein widersprechen! Der Arbeitgeber muss Sie zu diesem Zweck mindestens eine Woche vor der Kündigung informieren. Unter Umständen sind Ihnen sogar drei Wochen Bedenkzeit zu geben.
Widersprechen Sie rechtzeitig, gilt Ihr Sonderkündigungsschutz ohne Einschränkungen.
2. Wie sind Schwerbehinderte vor einer Kündigung geschützt?
Schwerbehinderte genießen unter den obigen Voraussetzungen Sonderkündigungsschutz. Wie genau Sie vor Kündigungen geschützt sind, erfahren Sie in den folgenden Abschnitten.
Allgemeiner Kündigungsschutz
Am Anfang eine Bemerkung: Natürlich genießen Sie wie jeder andere Arbeitnehmer auch den allgemeinen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Ihr Arbeitgeber kann Ihnen daher nur kündigen, wenn er einen Kündigungsgrund hat (§ 1 Abs. 2 KSchG). In Betracht kommen Kündigungen wegen Ihres Verhaltens, Ihrer Person oder betriebsbedingter Gründe.
Beispiele:
- Möchte Ihr Arbeitgeber Sie wegen eines Fehlverhaltens kündigen, muss er zuvor in aller Regel eine Abmahnung aussprechen. Erst im Wiederholungsfall darf er dann kündigen.
- Er darf auch nicht beliebig aus betrieblichen Gründen Stellen abbauen. Er muss mindestens ein schlüssiges und auf Dauer angelegtes Konzept vorlegen und auf sozial schutzwürdige Arbeitnehmer besondere Rücksicht nehmen.
Oft scheitert eine Kündigung an diesem allgemeinen Kündigungsschutz.
Zustimmung der Behörde
Genießen Sie als schwerbehinderter Arbeitnehmer darüber hinaus Sonderkündigungsschutz, muss das Integrationsamt Ihrer Kündigung vorher zustimmen. Ohne diese Zustimmung ist Ihre Kündigung unwirksam. Den Antrag auf Zustimmung muss Ihr Arbeitgeber stellen.
Im Rahmen des Verfahrens wird das Integrationsamt Sie zunächst anhören und die Stellungnahme Ihres Betriebs- oder Personalrats und der Schwerbehindertenvertretung einholen. Nachdem die Behörde sich so einen Eindruck von Ihrer Lage verschafft hat, entscheidet sie über Ihre Kündigung.
Das Integrationsamt hat bei seiner Entscheidung einen weiten Spielraum. Lediglich ausnahmsweise, beispielsweise wenn für Sie bereits ein anderer angemessener Arbeitsplatz gesichert ist, soll das Integrationsamt seine Zustimmung gesetzlich erteilen (§ 172 SGB IX).
In den übrigen Fällen wägt die Behörde Ihr Interesse am Arbeitsplatz mit dem Interesse Ihres Arbeitgebers an der freien Gestaltung seines Betriebes ab und entscheidet nach freiem Ermessen. Dabei gilt:
- Wird Ihnen gerade wegen Ihrer Schwerbehinderung gekündigt, wird die Zustimmung zu Ihrem Schutz häufig versagt werden.
- Besteht hingegen kein Zusammenhang mit Ihrer Behinderung, ist eine Zustimmung wahrscheinlicher (z.B. bei betriebsbedingter Kündigung).
Anhörung Schwerbehindertenvertretung
Ihr Arbeitgeber muss außerdem die Schwerbehindertenvertretung informieren und vor Ihrer Kündigung anhören.
Hört Ihr Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht an, ist Ihre Kündigung unwirksam.
3. Wann ist eine Kündigung Schwerbehinderter wegen Krankheit möglich?
Arbeitnehmern kann grundsätzlich auch wegen Krankheit – auch im Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung – gekündigt werden. Es handelt sich hierbei um einen personenbedingten Kündigungsgrund.
Einige Voraussetzungen müssen aber erfüllt sein:
- Die Krankheit muss – jedenfalls bei häufigen Kurzerkrankungen – den Betrieb des Arbeitgebers beeinträchtigen. Das kann der Fall sein, wenn etwa betriebliche Abläufe wegen ausufernder Fehlzeiten gestört werden oder in erheblichem Umfang Entgeltfortzahlung zu leisten ist.
- Ihre Fehlzeiten werden in Zukunft voraussichtlich ähnlich hoch sein („negative Prognose“). Ausschlaggebend sind allein künftige Fehlzeiten. Ihre Ausfälle in der Vergangenheit sind nur ein Indiz. Fehlen Sie z.B. bereits seit drei Jahren immer wieder, mag eine Kündigung grundsätzlich zwar in Betracht kommen. Kann aber z.B. ein Arzt bestätigen, dass Sie bald wieder genesen, wäre eine Kündigung voraussichtlich unwirksam.
- Die Kündigung darf nur letztes Mittel sein. Regelmäßig wird Ihr Arbeitgeber beispielsweise zunächst ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen oder Sie auf einen besser geeigneten Arbeitsplatz – soweit möglich und zumutbar – versetzen müssen, um eine realistische Chance im Kündigungsschutzprozess zu haben.
4. Was gilt für eine Kündigung Schwerbehinderter im Kleinbetrieb und in der Probezeit?
In Kleinbetrieben mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern und in den ersten sechs Monaten Ihres Arbeitsverhältnisses genießen Sie keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Ihr Arbeitgeber braucht daher keinen Kündigungsgrund.
Auch auf Ihren Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderter können Sie sich jedenfalls in den ersten sechs Monaten nicht berufen.
Nach Ablauf von sechs Monaten greift der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte allerdings – auch im Kleinbetrieb!
5. Welche Kündigungsfrist gilt für schwerbehinderte Arbeitnehmer?
Eine Kündigung erfolgt grundsätzlich mit Frist. Nur in Ausnahmefällen ist eine fristlose Kündigung möglich.
Wie lang genau die Frist in Ihrem Fall ist, kann in § 622 BGB nachgelesen werden. Es gilt: Je länger das Arbeitsverhältnis bestand, desto länger die Kündigungsfrist. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern gilt zudem, dass die Kündigungsfrist immer mindestens vier Wochen beträgt (§ 169 SGB IX).
6. Ich wurde gekündigt – was soll ich tun?
Sie sehen: Schwerbehinderte genießen hohen Kündigungsschutz. Das wissen grundsätzlich auch die Arbeitgeber – und kündigen oft trotzdem.
Sie sollten sich bei einer Kündigung daher unbedingt anwaltlich beraten lassen und Ihren Arbeitsplatz nicht leichtfertig aufgeben. Zusammen mit Ihrem Anwalt können Sie prüfen, ob Ihre Kündigung rechtswidrig ist. Aber Achtung: Sie müssen sich beeilen! Eine Kündigung muss innerhalb von drei Wochen durch Klage angegriffen werden.
Sie sollten ggf. auch gegen die Zustimmung des Integrationsamts vorgehen. Fallen Ihnen Fehler erst später auf, lässt sich der Bescheid nicht mehr angreifen.
Haben Sie noch Fragen zur Kündigung bei Schwerbehinderung oder wurden Sie gekündigt? Wir helfen Ihnen! Rufen Sie uns an unter +49 – 221 – 97 30 49 0 oder schreiben Sie uns eine Mail an mail@rechtsanwalt-tillmann.de.
7. FAQ zum Thema Kündigung Schwerbehinderter
Kann man Mitarbeiter mit Schwerbehinderung kündigen?
Mitarbeiter mit Schwerbehinderung dürfen nicht ohne Weiteres gekündigt werden. Der besondere Kündigungsschutz gemäß § 85 SGB IX schützt sie vor betriebsbedingten und personenbedingten Kündigungen.
Eine solche Kündigung ist nur bei Vorliegen eines „besonderen betrieblichen Erfordernisses“ möglich. Hierbei müssen strenge rechtliche Vorgaben beachtet werden, wie die Zustimmung des Integrationsamtes.
Die Kündigung kann unwirksam sein, wenn die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt sind, und ggf. zur Schadensersatzpflicht führen.
Wann darf ein Mitarbeiter mit Behinderung gekündigt werden?
Wenn ein besonderes betriebliches Erfordernis vorliegt und die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt zustimmen. Die Kündigung muss verhältnismäßig sein und die Belange der betroffenen Person angemessen berücksichtigen. Zudem sind die gesetzlichen Schutzbestimmungen zu beachten, um eine mögliche Unwirksamkeit und Schadensersatzpflicht zu vermeiden.
Ist man bei 50% Schwerbehinderung unkündbar?
Eine Schwerbehinderung von 50% führt allein nicht zur Unkündbarkeit. Der Grad der Schwerbehinderung ist ein Faktor, der für den Kündigungsschutz berücksichtigt wird, aber es sind weitere Voraussetzungen zu erfüllen.
Ein umfassender Schutz besteht ab einem Grad der Behinderung von 50, wenn die Kündigung aufgrund der Behinderung erfolgen soll. Allerdings muss auch hier ein „besonderes betriebliches Erfordernis“ vorliegen, und es ist die Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung und des Integrationsamtes erforderlich.
Es gibt also keinen generellen Unkündbarkeitsschutz allein aufgrund eines Schwerbehindertengrades von 50%.
In welchen Fällen stimmt das Integrationsamt einer Kündigung zu?
Das Integrationsamt stimmt einer Kündigung von Mitarbeitern mit Schwerbehinderung zu, wenn diese aufgrund eines „besonderen betrieblichen Erfordernisses“ erfolgt. Dieses Erfordernis kann auf betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Gründen basieren.
Das Integrationsamt prüft dabei, ob die Kündigung angemessen und verhältnismäßig ist. Es berücksichtigt die Interessen der betroffenen Person und des Arbeitgebers. Das Amt achtet darauf, ob andere mildere Mittel zur Konfliktlösung möglich sind und ob die Schwerbehindertenvertretung einbezogen wurde.
Ein fehlendes oder negatives Votum des Integrationsamtes kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
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