Die verhaltensbedingte Kündigung: Was Arbeitgeber dürfen
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist für viele Arbeitnehmer ein Schock – und für Arbeitgeber eine der letzten Maßnahmen im Konflikt mit einem Mitarbeiter. Anders als bei betriebsbedingten Kündigungen geht es hier nicht um wirtschaftliche Gründe, sondern um konkretes Fehlverhalten des Arbeitnehmers, das als relevante Pflichtverletzung einzuschätzen ist.

Doch wann ist eine solche Kündigung wirklich zulässig? Muss immer erst eine Abmahnung erfolgen? Wirkt sich eine verhaltensbedingte Kündigung auf die Zahlung von Arbeitslosengeld aus?
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht erläutere ich in diesem Beitrag die wichtigsten Punkte und zeige gleichzeitig auf, warum gerade im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung frühzeitiger rechtlicher Rat unbedingt zu empfehlen ist.
Inhalt
Welches Verhalten rechtfertigt eine verhaltensbedingte Kündigung
Die rechtliche Grundlage für eine verhaltensbedingte Kündigung findet sich im § 1 Abs. 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz).
Die verhaltensbedingte Kündigung als Form der ordentlichen Kündigung setzt immer ein in der Person des Arbeitnehmers begründetes Fehlverhalten voraus.
Zu den Gründen, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können, zählen:
- Wiederholtes und unbegründetes Missachten der Anweisungen des Arbeitgebers
- Regelmäßige Verspätungen sowie unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz
- Wiederkehrende Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen
- Arbeitsverweigerung und bewusste Schlechtleistung
- Arbeitszeitbetrug
- Mobbing am Arbeitsplatz
- Sexuelle Belästigung
- Strafbare Handlungen wie Diebstahl oder Betrug
- Gefährdung durch Missachtung der Arbeitsschutz- und Sicherheitsregeln
- Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an Konkurrenten
Achtung: Jede Kündigung ist individuell zu prüfen. Warum es immer ratsam ist, einen Fachexperten für Arbeitsrecht hinzuzuziehen, zeigt das nachfolgende Beispiel aus der Praxis.
Im vorliegenden Fall wurde eine verhaltensbedingte Kündigung aufgrund Schlechtleistung ausgesprochen. Der betroffene Verkäufer erzielte über Monate hinweg deutlich schlechtere Umsatzzahlen als alle Kollegen. Er zeigte keine Bemühungen zur Verbesserung und erkennbare Gründe lagen augenscheinlich nicht vor. Sein Arbeitgeber kündigte ihm verhaltensbedingt.
Die eingereichte Kündigungsschutzklage des Verkäufers war erfolgreich.
Aus den Gründen: Nicht jede „schlechte Leistung“ rechtfertigt eine Kündigung. Erst bei bewusst unterdurchschnittlicher Leistung wird es kritisch für Arbeitnehmer. Das BAG (Urteil vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02) führte u.a. aus: Arbeitgeber müssen nachweisen, dass die Leistung subjektiv steuerbar war und nicht auf mangelnder Eignung beruhte.
Die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
Um eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen zu können, muss das Verhalten des Arbeitnehmers eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellen. Das Vertrauensverhältnis muss nachhaltig und dauerhaft geschädigt worden sein. Nur dann hat eine verhaltensbedingte Kündigung vor Gericht Chancen.
Zudem müssen alle alternativen Möglichkeiten im Vorfeld hinreichend geprüft worden sein. Könnte beispielsweise eine Versetzung die Problematik lösen, wäre eine verhaltensbedingte Kündigung nicht das letzte Mittel (ultima ratio) und damit unwirksam.
Meine Praxiserfahrung als Fachanwalt für Arbeitsrecht zeigt: Verhaltensbedingte Kündigungen kommen häufig vor, sind aber oft nicht hinreichend begründet.
Eine verhaltensbedingte Kündigung kann vor Gericht nur Bestand haben, wenn vor allem
- ein hinreichend schweres Fehlverhalten des Mitarbeiters konkret dargestellt und im Streitfall nachgewiesen wird und
- die verhaltensbedingte Kündigung das letzte Mittel (ultima ratio) darstellt und die Angelegenheit nicht durch eine andere zumutbare Maßnahme – insbesondere durch eine Abmahnung – gelöst werden kann.
Ist eine Abmahnung zwingend erforderlich?
In den meisten Fällen ist eine Abmahnung zwingend erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Chance zur Verhaltensänderung zu geben.
Der Arbeitnehmer soll durch die vorausgehende Abmahnung nicht nur auf sein Fehlverhalten aufmerksam gemacht werden, sondern ihm soll auch die Möglichkeit zur Veränderung eingeräumt werden. Im Rahmen der Abmahnung erhält der Arbeitnehmer den klaren Hinweis, dass bei wiederholtem Fehlverhalten mit einer verhaltensbedingten Kündigung zu rechnen ist.
Fehlt die vorhergehende Abmahnung, ist die Kündigung im Regelfall unwirksam.
Ausnahme: Eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist dann möglich, wenn das Vertrauen durch ein besonders gravierendes Verhalten endgültig zerstört ist.
Beispiele können u.a. sein:
- Diebstahl von Firmeneigentum – selbst bei geringem Wert
- Körperliche Angriffe auf Kollegen oder Vorgesetzte
- Massive Beleidigungen
- Schwerwiegende Verstöße gegen Datenschutz oder Geheimhaltungspflichten
Dennoch gilt es, immer im Einzelfall abzuwägen. Auch eine schwere Verfehlung rechtfertigt nicht automatisch eine verhaltensbedingte oder gar fristlose Kündigung ohne Abmahnung.
Unser Praxisbeispiel einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung
Eine langjährig beschäftigte Kassiererin wurde fristlos gekündigt, weil sie zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro unrechtmäßig eingelöst haben soll. Der Arbeitgeber warf ihr schweres Fehlverhalten und Vertrauensbruch vor.
Das Bundesarbeitsgericht (10.06.2010 – 2 AZR 541/09) beurteilte anders als die Vorinstanzen sowohl die fristlose als auch die hilfsweise fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung als unwirksam.
Merke: Trotz des objektiv falschen Verhaltens hat der Arbeitgeber nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Arbeitnehmerin 31 Jahre ohne Beanstandungen beschäftigt war. Die Kündigung war daher nach der Bewertung des Bundesarbeitsgerichts unverhältnismäßig.
Auch bei strafbarem Verhalten sind immer die Gesamtumstände sowie die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Auch ein schweres Fehlverhalten wie Diebstahl oder Unterschlagung führt nicht automatisch zu einem hinreichenden Kündigungsgrund. “Mildernde Umstände” wie z. B. lange Betriebszugehörigkeit oder fehlerfreies Verhalten in der Vergangenheit müssen ausreichend gewürdigt werden.
Ist außerbetriebliches Verhalten ein Kündigungsgrund?
Auf den ersten Blick scheint das private Verhalten nichts mit dem Arbeitsverhältnis zu tun zu haben und nicht Grund einer Kündigung sein zu können.
Aber Achtung: In bestimmten Fällen – vor allem dann, wenn es den Arbeitgeber mittelbar schädigt oder das Vertrauensverhältnis beeinträchtigt wird – kann es sehr wohl eine Rolle spielen und Kündigungsgrundlage sein.
Beispiele:
- Rufschädigung des Unternehmens durch öffentlich gemachte extremistische, rassistische oder beleidigende Aussagen
- Straftaten, die Rückwirkungen auf die Tätigkeit haben (z. B. Fahrer verliert Führerschein)
- Massive Konflikte im privaten Umfeld, die sich auf die Zusammenarbeit im Betrieb auswirken
Auch hier gilt als Maßstab: Eine Kündigung ist nur dann möglich, wenn die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis erheblich sind.
Das Gericht prüft im Streitfall, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schwerer wiegt als das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand.
Droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?
Ja – und das ist für viele Betroffene besonders bitter. Die Agentur für Arbeit verhängt in der Regel eine Sperrzeit von 12 Wochen, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verhalten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beigetragen hat.
Das betrifft insbesondere:
- verhaltensbedingte Kündigungen
- fristlose Kündigungen
- Eigenkündigungen
- Aufhebungsverträge
Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann in solchen Fällen dazu beraten, wie man eine Sperrzeit möglicherweise vermeiden kann. Dabei geht es vor allem um einen “wichtigen Grund” für die Beendigung. Der Fachanwalt wird dabei auch die Vermeidung von Ruhenszeiten beim Arbeitslosengeld in den Blick nehmen, wie sie z.B. durch eine Abfindung entstehen können.
Rufen Sie mich an unter 0221 9730490 oder schreiben Sie mir eine Mail an mail@rechtsanwalt-tillmann.de.
Wie kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstützen?
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht bin ich der richtige Ansprechpartner bei der Vorbereitung und Prüfung der verhaltensbedingten Kündigung auf inhaltliche und formale Fehler.
Ich berate zum Vorgehen und vertrete meine Mandanten im Rahmen einer gerichtlichen Kündigungsschutzklage, die rechtzeitig beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden muss. Sodann führe ich insbesondere auch die Abfindungsverhandlungen für Sie, die sich häufig aus einem Kündigungsrechtsstreit ergeben.
Verhaltensbedingte Kündigungen können schwerwiegende Folgen haben. Handeln Sie daher bitte nicht leichtfertig und lassen Sie sich rechtzeitig anwaltlich beraten.
Fazit
- Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nur zulässig bei schuldhaftem Fehlverhalten.
- Das Vertrauensverhältnis muss nachhaltig zerstört sein.
- Als Gründe kommen u.a. in Betracht: unentschuldigtes Fehlen, Arbeitsverweigerung, Mobbing, Diebstahl, Schlechtleistung, Missachtung von Sicherheitsregeln, sexuelle Belästigung.
- Eine vorherige Abmahnung ist in der Regel erforderlich – Ausnahmen gelten nur bei besonders schwerwiegendem Fehlverhalten.
- Außerbetriebliches Verhalten kann nur dann zur Kündigung führen, wenn es erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat.
- Bei verhaltensbedingter Kündigung droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld – die abgewendet werden sollte.
- Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann unterstützend tätig werden. Frühzeitige anwaltliche Beratung schützt vor Nachteilen und verbessert die Erfolgschancen im Kündigungsschutzverfahren.
FAQ
Was ist eine verhaltensbedingte Kündigung?
Eine verhaltensbedingte Kündigung erfolgt, wenn ein Arbeitnehmer durch schuldhaftes Fehlverhalten gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt und das Vertrauen des Arbeitgebers dauerhaft zerstört wurde.
Welche Gründe rechtfertigen eine verhaltensbedingte Kündigung?
Typische Gründe sind z. B. wiederholtes Zuspätkommen, Arbeitsverweigerung, Diebstahl, Beleidigungen, Mobbing, oder bewusste Schlechtleistung.
Kann man auch wegen schlechter Leistung verhaltensbedingt gekündigt werden?
Ja, aber nur wenn die Leistung absichtlich und erheblich unter dem zumutbaren Maß liegt – sogenannte bewusste Minderleistung.
Welche Rolle spielt das Verhalten außerhalb der Arbeit?
Sofern das private Verhalten das Unternehmen schädigt oder das Vertrauensverhältnis beeinträchtigt wird – etwa durch strafbare Handlungen oder rufschädigende Aussagen, kann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.
Wie kann mir ein Fachanwalt für Arbeitsrecht helfen?
Ein Anwalt prüft, ob die Kündigung wirksam und rechtmäßig ist, erhebt ggfls. Kündigungsschutzklage, unterstützt bei Abfindungsverhandlungen und berät auch im Hinblick auf eine mögliche Sperrfrist beim Arbeitslosengeld.
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