Abfindung und Insolvenz des Arbeitgebers
Vielleicht kennen Sie den Spruch „Wo nichts zu holen ist, hat der Kaiser sein Recht verloren“ oder auch den Spruch „Man kann einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen“.
Es nützt einem der beste Anspruch nichts, wenn man ihn nicht durchsetzen kann.
Das gilt vor allem auch für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers. Mit der Abfindung wird es dann zumindest schwierig. Wie Sie sich als Arbeitnehmer unter solch ungünstigen Umständen am besten Verhalten, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Inhalt
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- Achten Sie rechtzeitig auf Signale einer „Schieflage“
- Auf eine Abfindung besteht regelmäßig kein Anspruch
- Das Arbeitsrecht wird in der Insolvenz nicht einfach außer Kraft gesetzt
- Ansprüche vor und nach der Insolvenzeröffnung – ein entscheidender Unterschied
- Die Abfindung sollte unbedingt gesichert werden
- Insolvenz muss nicht zwingend das Ende des Arbeitgebers sein
- FAQ zum Thema
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Achten Sie rechtzeitig auf Signale einer „Schieflage“
Wie in den meisten Lebenssituationen gilt auch hier: Vorbeugen ist besser als heilen. Je früher Sie eine mögliche Gefahr erkennen, desto besser können Sie sie in den Griff bekommen.
Eine Insolvenz des Arbeitsgebers kommt meist nicht „aus heiterem Himmel“. Oft gibt es verschiedene Anzeichen im Vorfeld für einer wirtschaftliche Schieflage wie starke Änderungen am einschlägigen Markt, Streit in der Geschäftsführung oder entsprechende Äußerungen der mittleren Führungsebene über den „Flurfunk“.
Kompliziert wird die Sache dadurch, dass Arbeitgeber in Gesprächen und Verhandlungen über Lohn und/oder Abfindung gern mit Insolvenz drohen. Es ist dann nicht immer leicht zu erkennen, wo die Wahrheit endet oder zumindest verzerrt dargestellt wird und etwaige finanzielle Probleme zielgerichtet aufgebauscht werden.
Wer in einer solchen Situation eine zuverlässige Informationsquelle im Unternehmen hat, ist klar im Vorteil. Er kann dann die Lage realistischer einschätzen. Die Kunst besteht darin, einerseits rechtzeitig den Absprung zu schaffen, aber andererseits nicht zu früh panikartig von Bord zu gehen, ohne Verhandlungsspielräume ausgereizt zu haben.
Auf eine Abfindung besteht regelmäßig kein Anspruch
Das Problem ist, dass man nicht einfach „seine“ Abfindung nehmen und gehen kann, wenn man den richtigen Zeitpunkt für den Absprung für gekommen hält. Es gibt nämlich generell keinen Anspruch auf Abfindung.
Die bekannte Formel von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr stellt nur einen unverbindlichen Rechenansatz dar. Ein Abfindungsanspruch lässt sich daraus nicht ableiten.
Diese Erkenntnis ist besonders bitter, wenn man auf eine lange Betriebszugehörigkeit zurückblicken kann und somit nach der genannten Formel auf eine ziemlich hohe Abfindung käme.
In der Konsequenz bedeutet das, dass der Arbeitgeber den ersten Schritt machen und eine Kündigung aussprechen bzw. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung anbieten muss.
Das geschieht paradoxerweise manchmal, wenn Mitarbeiter sich weigern, Gehaltskürzungen zu akzeptieren, die ein Arbeitgeber in der Krise vereinbaren möchte.
Es kommt also darauf an, den Arbeitgeber irgendwie zum Handeln zu bewegen. Die Möglichkeiten hierzu sind im Einzelfall zu prüfen.
Das Arbeitsrecht wird in der Insolvenz nicht einfach außer Kraft gesetzt
Auch wenn es nicht einfach ist, mit dem Arbeitgeber über eine Abfindung ins Gespräch zu kommen, kann einem als Arbeitnehmer aber immerhin die Tatsache zu Hilfe kommen, dass der Arbeitgeber mit der Insolvenz nicht einfach das Arbeitsrecht und insbesondere den Kündigungsschutz abstreifen kann.
Das ist wichtig, denn der Kündigungsschutz ist der entscheidende Hebel für Abfindungsverhandlungen. Wenn der Arbeitgeber problemlos wirksam kündigen kann, braucht er keine Abfindung anzubieten. Der Kündigungsschutz gilt aber auch in der Insolvenz weiter.
Allerdings braucht der Insolvenzverwalter nur eine Kündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Das ist natürlich schmerzhaft für Arbeitnehmer, deren Kündigungsfrist wegen langer Betriebszugehörigkeit oder durch vertragliche Vereinbarung eigentlich deutlich länger wäre.
Ansprüche vor und nach der Insolvenzeröffnung – ein entscheidender Unterschied
Die Insolvenzeröffnung ist ein entscheidendes Datum für die Beurteilung der Frage, ob Ansprüche realistischerweise durchgesetzt werden können – oder ob sie eigentlich nur auf dem Papier existieren.
Lohnansprüche, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, sind einfache Insolvenzansprüche. Das bedeutet, sie sind zur Insolvenztabelle anzumelden und werden am Ende in Höhe der allgemeinen Quote befriedigt. In der Praxis bedeutet das regelmäßig, dass man so gut wie kein Geld bekommt.
Lohnansprüche, die nach Insolvenzeröffnung entstehen, sind hingegen so genannte Masseforderungen. Das bedeutet, dass diese Forderungen vorab vor Befriedigung der „normalen“ Gläubiger vom Insolvenzverwalter zu erfüllen sind. Als Arbeitnehmer kann man daher regelmäßig damit rechnen, in dieser Konstellation tatsächlich seinen Lohn zu erhalten.
Einen Trost gibt es aber auch vor Insolvenzeröffnung: Der Gesetzgeber springt für die Ausfälle beim Lohn vor Insolvenzeröffnung mit dem Insolvenzgeld ein. Der Arbeitnehmer erhält mit dem staatlichen Insolvenzgeld eine Lohnersatzleistung für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses vor Insolvenzeröffnung.
Entsprechendes gilt auch, wenn die Insolvenz nicht eröffnet wird, weil die Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht. In diesem Fall wird statt der Insolvenzeröffnung die Masseunzulänglichkeit erklärt. Diese Erklärung steht bezüglich des Insolvenzgeldes dann der Insolvenzeröffnung gleich.
Somit gibt es in diesem Falle Insolvenzgeld für letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses vor der Feststellung der Masseunzulänglichkeit.
Die Abfindung sollte unbedingt gesichert werden
Wenn es trotz der geschilderten Schwierigkeiten gelungen ist, eine Abfindung auszuhandeln, sollte diese unbedingt abgesichert werden. Dabei kommt es ähnlich wie beim Lohn entscheidend auf den Zeitpunkt an – in diesem Fall auf den Zeitpunkt der Vereinbarung über die Abfindung:
Wenn ein Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag oder ein gerichtlicher Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Abfindung vor Insolvenzeröffnung geschlossen wird, sollte dieser an die tatsächliche Auszahlung der Abfindungssumme gekoppelt werden.
Denn wenn die Abfindung zur Insolvenzforderung wird, wird man sie praktisch davon kaum einen Euro sehen. Gleichzeitig ist aber das Arbeitsverhältnis beendet. Man steht dann also praktisch mit leeren Händen da.
Wenn eine Abfindung hingegen nach Insolvenzeröffnung mit dem Insolvenzverwalter vereinbart wird, muss dieser für die Zahlung geradestehen. Man kann also realistischerweise damit rechnen, das Geld auch wirklich zu bekommen.
Sicherheitshalber kann man dabei in der Vereinbarung auch noch einmal ausdrücklich festhalten, dass es sich um eine Masseforderung handelt und der Insolvenzverwalter für die Forderung einsteht.
Insolvenz muss nicht zwingend das Ende des Arbeitgebers sein
In Verhandlungen ist es immer gut, wenn man nicht von vornherein auf eine bestimmte Lösung festgelegt ist. Das gilt auch bei Abfindungsverhandlungen in der Insolvenz. Manchmal kann sich noch ein alternatives Szenario auftun:
Mit dem Begriff der Insolvenz verbindet man gewöhnlich die „Pleite“ und das Ende des Unternehmens. Für den Gesetzgeber ist dieser Zusammenhang aber nicht zwingend. Und tatsächlich wird auch in der Praxis gelegentlich die Insolvenz zur Sanierung genutzt. Mit anderen Worten: die Insolvenz ist in diesem Fall nur ein Durchgangsstadium.
Das gilt insbesondere für die so genannte Insolvenz in Eigenverwaltung, die das Insolvenzgericht unter bestimmten Voraussetzungen anordnen kann.
Wenn sich abzeichnet, dass eine Insolvenz des Arbeitgebers nur ein Durchgangsstadium ist und der Arbeitgeber voraussichtlich aus der Insolvenz wieder „herauskommt“, kann es sich lohnen, statt einer Abfindung eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anzustreben.
Das gilt allerdings nur für den Fall, dass eine betriebsbedingte Kündigung voraussichtlich unwirksam ist oder gar nicht ausgesprochen wurde.
Selbstverständlich stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite – rufen Sie mich einfach an unter 0221 9730490 oder schreiben Sie mir eine E-Mail an mail@rechtsanwalt-tillmann.de.
FAQ zum Thema
Wie hoch ist eine Abfindung bei Insolvenz des Arbeitgebers?
Die Höhe der Abfindung bei Insolvenz hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, dem Alter des Arbeitnehmers und der Größe des Unternehmens.
Die Abfindung beträgt in der Regel ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Ein Abfindungsanspruch lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. In der Praxis ist die genaue Höhe der Abfindung oft Verhandlungssache.
Ist ein Arbeitgeber verpflichtet bei Insolvenz eine Abfindung zu zahlen?
Grundsätzlich besteht bei der Insolvenz des Arbeitgebers ein Anspruch auf eine Abfindung gemäß § 113 InsO, wenn der Arbeitgeber den Betrieb stilllegt oder die Entlassung des Arbeitnehmers aus betriebsbedingten Gründen erfolgt.
Es kann jedoch Ausnahmen geben, beispielsweise wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist oder der Arbeitnehmer selbst kündigt. Zudem kann es vorkommen, dass der Arbeitgeber nicht über die nötige Insolvenzmasse verfügt, um Abfindungen zu zahlen.
Wie kann ich als Arbeitnehmer meine Abfindung bei Insolvenz des Arbeitgebers sichern?
Als Arbeitnehmer gibt es mehrere Möglichkeiten, um eine Abfindung bei Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern. Schlagworte sind hier: Sozialplan, Gewerkschaft und Betriebsrat.
Besonders zu empfehlen ist hier aber die Beratung durch einen Anwalt, der sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert hat. Dieser kann die individuelle Situation des Arbeitnehmers prüfen und bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber behilflich sein, um eine angemessene Abfindung zu sichern.
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