Ordentliche betriebsbedingte Kündigung: Filialschließungen, Umstrukturierungen oder andere betriebliche Maßnahmen führen häufig dazu, dass der Arbeitgeber gezwungen ist, Personal abzubauen. Den Arbeitnehmer trifft bei einer betriebsbedingten Kündigung keine Schuld.
Welche inhaltlichen Voraussetzungen eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung erfüllen muss und wann eine solche Kündigung überhaupt möglich ist, erklärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Michael Tillmann in diesem Beitrag.
Übersicht:
- Welche 3 Gründe gibt es für eine ordentliche Kündigung?
- Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
- Was sind Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung?
- Ist eine betriebsbedingte Kündigung eine ordentliche Kündigung?
- Kann man sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wehren?
- Fazit
- FAQ
1. Welche 3 Gründe gibt es für eine ordentliche Kündigung?
Arbeitnehmer können durch das Prinzip des allgemeinen Kündigungsschutzes vor einer Kündigung geschützt sein. Danach kann der Arbeitgeber nur dann eine Kündigung aussprechen, wenn diese sozial gerechtfertigt ist.
Für die soziale Rechtfertigung sieht das Kündigungsschutzgesetz drei mögliche Kündigungsgründe vor. Liegen der arbeitgeberseitigen Kündigung entweder verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Gründe zugrunde, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Der allgemeine Kündigungsschutz gilt für alle Arbeitnehmer, die zum einen mindestens 6 Monate in einem Unternehmen oder Betrieb beschäftigt sind. Zum anderen müssen in dem Unternehmen mehr als 10 in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer angestellt sein. Teilzeitmitarbeiter werden in dieser Zählung mit einem Faktor von mindestens 0,5 berücksichtigt.
2. Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
Bei der betriebsbedingten Kündigung liegt der Grund für die arbeitgeberseitige Kündigung nicht in dem Verhalten oder der Person des Arbeitnehmers. Den Arbeitnehmer trifft bei der Kündigung keine Schuld. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist bei einer betriebsbedingten Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen nicht mehr möglich.
Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung
- Betriebliche Gründe liegen z.B. dann vor, wenn das Unternehmen umstrukturiert wird, Produktionsprozesse verändert werden, Standorte oder Filialen geschlossen werden oder durch Veränderung von Arbeitsabläufen der Arbeitsbedarf geringer wird.
- Diese betrieblichen Gründe müssen auch dringend sein. Dies bedeutet, dass es für den einzelnen Arbeitnehmer keine Möglichkeit mehr gibt, in dem Unternehmen an anderer Stelle weiterbeschäftigt zu werden. Könnte der Arbeitnehmer auf einem freien und vergleichbaren Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden, wäre die Kündigung nicht dringend. Die Umsetzung des Arbeitnehmers auf den freien Arbeitsplatz müsste durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein. Wenn hingegen für die Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz die Bedingungen des Arbeitsvertrages geändert werden müssten, muss der Arbeitgeber dies im Rahmen einer Änderungskündigung anbieten.
- Es muss außerdem eine Interessenabwägung stattfinden. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss größer sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung. Allerdings kommt bei der betriebsbedingten Kündigung der Interessenabwägung keine so große Bedeutung zu wie etwa bei der verhaltens- oder personenbedingten Kündigung.
Sozialauswahl als Filter der sozialen Schutzwürdigkeit
In vielen Fällen muss der Arbeitgeber auch eine Sozialauswahl durchführen. Wird z.B. eine Abteilung durch Umstrukturierung oder Veränderung der Arbeitsprozesse verkleinert, fallen nicht alle Arbeitsplätze der Abteilung weg. Wird allerdings eine ganze Filiale als eigenständiger Betriebsteil komplett geschlossen, fallen möglicherweise alle vergleichbaren Arbeitsplätze weg. Dann erübrigt sich eine Sozialauswahl.
Wenn aber eine Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer möglich und nötig ist, es also mehr Kündigungskandidaten als geplante Entlassungen gibt, kann der Arbeitgeber nicht nach freiem Belieben die zu kündigenden Arbeitnehmer aussuchen. Es muss nach sozialen Aspekten entschieden werden, welche Arbeitnehmer schutzwürdiger sind als andere.
Die Kategorien, nach denen die soziale Schutzwürdigkeit bemessen wird, sind in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG festgelegt:
- das Lebensalter
- die Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Unterhaltspflichten der einzelnen Arbeitnehmer
- das Vorliegen einer Schwerbehinderung
Für jede dieser Kategorien kann der Arbeitgeber nach einem Punktesystem Punkte vergeben und gewichten. Die Ausgestaltung obliegt dem Arbeitgeber und ist gesetzlich nicht vorgegeben. Es kann auf diese Weise eine Rangordnung erstellt werden.
Die Personen mit dem höchsten Punktwert sind sozial schutzwürdiger und am ehesten vor einer betriebsbedingten Kündigung geschützt. Die Arbeitnehmer mit den niedrigsten Punktwerten sind sozial weniger schutzwürdig und können gekündigt werden.
3. Was sind Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung?
Die Gründe für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung liegen in den meisten Fällen in einer freien Unternehmerentscheidung, entsprechende Maßnahmen durchzuführen. Der Arbeitgeber kann sich z.B. dazu entscheiden, Umstrukturierungen durchzuführen oder Betriebsteile zu schließen. Durch die damit verbundene Änderung betrieblicher Abläufe kann es zu weniger Arbeitsbedarf kommen. Um betriebsbedingte Kündigungen zu rechtfertigen, muss der Wegfall aber dauerhaft sein.
Die Entscheidung des Arbeitgebers, solche Maßnahmen in seinem Unternehmen durchzuführen, ist frei und muss nicht von wirtschaftlichen bzw. finanziellen Schwierigkeiten getragen sein. Für eine solche Unternehmerentscheidung kann es verschiedene Auslöser und Hintergründe geben. Dabei unterscheidet man häufig zwischen innerbetrieblichen Auslösern und außerbetrieblichen Auslösern. Die außerbetrieblichen Hintergründe können allerdings auch in Verbindung mit den innerbetrieblichen Hintergründen zusammenfallen oder einander bedingen.
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Zu den innerbetrieblichen Auslösern gehören z.B.:
- Schließung oder Zusammenlegung von Filialen, Betriebsteilen, Abteilungen
- Verkleinerung von Abteilungen
- Verlagerung von Produktionskapazitäten
- Verkleinerung von Produktionskapazitäten
- Umstrukturierung und Rationalisierung
- Erneuerung und Rationalisierung von Maschinen und Produktionsabläufen
- Veränderung von Organisationsabläufen
- Einschränkungen des Betriebs, z.B. Umstellung von 3-Schicht auf 2-Schicht-Betrieb
Zu den außerbetrieblichen Auslösern gehören z.B.:
- Zu den außerbetrieblichen Auslösern gehören z.B.:
- Rückgang von Aufträgen, Umsätzen und Gewinn
- Absatzschwierigkeiten
- Produktionskosten sind zu hoch
- Mangel an Rohstoffen
- Wegfall von Drittmitteln oder Stellenstreichungen im Haushalt
4. Ist eine betriebsbedingte Kündigung eine ordentliche Kündigung?
Der Regelfall der betriebsbedingten Kündigung ist die ordentliche und damit fristgemäße Kündigung. Nur in ganz engen Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung als Ultima-ratio aussprechen.
Dies kommt dann in Betracht, wenn die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz dauerhaftem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit weiterhin beschäftigen bzw. vergüten müsste, ohne dass eine Arbeitsleistung möglich ist. Bevor der Arbeitgeber aber in einem solchen Fall außerordentlich kündigen dürfte, muss er andere Wege einschlagen, um eine solche Kündigung zu vermeiden.
Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung darf nur das allerletztes Mittel sein, wenn alle denkbaren Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
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5. Kann man sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wehren?
Als Arbeitnehmer muss man sich nicht mit einer betriebsbedingten Kündigung abfinden. Mit der Kündigungsschutzklage steht ein rechtliches Mittel zur Verfügung, die Zulässigkeit der betriebsbedingten Kündigung durch das Arbeitsgericht prüfen zu lassen. Nach Zugang der Kündigung hat man als Arbeitnehmer 3 Wochen Zeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen oder durch seinen Rechtsanwalt einreichen zu lassen.
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Betriebsbedingte Kündigungen können rechtswidrig sein
Bei betriebsbedingten Kündigungen kann es sowohl zu formalen als auch inhaltlichen Fehlern kommen, die die Kündigung an sich rechtswidrig machen können. Der Arbeitgeber muss beispielsweise den Wegfall der Arbeitsplätze konkret erklären und auch seine Unternehmerentscheidung genau darlegen.
Wenn der Arbeitgeber z.B. keine Begründung vorweisen kann, warum ein konkreter Arbeitsplatz wegfällt oder er eine rechtlich zu beanstandende Sozialauswahl vorgenommen hat, kann eine Klage zum Erhalt des Arbeitsplatzes oder zu einer Abfindung führen.
Arbeitgeber kann Abfindung anbieten
Allerdings kann im Einzelfall die Einreichung der Kündigungsschutzklage bei einer betriebsbedingten Kündigung auch umgekehrt zum Wegfall der angebotenen Abfindung führen. Durch die gesetzliche Regelung in § 1a KSchG kann der Arbeitgeber nämlich schon mit der Kündigung eine gesetzliche Abfindung anbieten. Im Gegenzug muss der Arbeitnehmer allerdings diese Kündigung akzeptieren und darf keine Kündigungsschutzklage einreichen, wenn er das Abfindungsangebot annehmen möchte.
Dies bedeutet aber nicht, dass nicht während der Kündigungsschutzprozesses eine möglicherweise sogar höhere Abfindung durch einen Prozessvergleich erzielt werden kann. Es ist daher im Einzelfall zu klären, ob eine Kündigungsschutzklage für den Arbeitnehmer vorteilhaft ist oder nicht.
6. Fazit
- Bei ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen liegt die Schuld nicht beim Arbeitnehmer, sondern resultiert aus betrieblichen Erfordernissen.
- Die Voraussetzungen für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung sind klar definiert und erfordern eine Sozialauswahl sowie das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe.
- Diese Gründe können Umstrukturierungen, Filialschließungen oder veränderte Arbeitsabläufe sein.
- Die Sozialauswahl erfolgt anhand von Kriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten.
- Betriebsbedingte Kündigungen können angefochten werden, und es besteht die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage, um die Zulässigkeit zu prüfen.
- Arbeitgeber können Abfindungen anbieten, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, doch dies schließt eine Verhandlung über eine möglicherweise höhere Abfindung nicht aus.
7. FAQ
Welche drei Gründe gibt es für eine ordentliche Kündigung?
Für eine sozial gerechtfertigte Kündigung müssen verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Gründe vorliegen. Bei betriebsbedingten Kündigungen liegt der Grund in betrieblichen Erfordernissen, nicht im Verhalten oder der Person des Arbeitnehmers.
Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
Eine betriebsbedingte Kündigung erfolgt aus dringenden betrieblichen Gründen, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich machen. Beispiele hierfür sind Filialschließungen, Umstrukturierungen oder Änderungen in den Arbeitsabläufen, die den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers betreffen.
Was sind die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung?
Die betrieblichen Gründe müssen dringend sein und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an anderer Stelle im Unternehmen muss ausgeschlossen sein. Zudem muss eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers erfolgen und gegebenenfalls eine Sozialauswahl unter den betroffenen Arbeitnehmern stattfinden.
Kann man sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wehren?
Ja, als Arbeitnehmer kann man sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wehren, indem man innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einreicht. In vielen Fällen können formale oder inhaltliche Fehler der Kündigung dazu führen, dass sie vor dem Arbeitsgericht angefochten werden kann.
Kann eine betriebsbedingte Kündigung auch außerordentlich erfolgen?
Ja, in Ausnahmefällen kann eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung erfolgen, wenn die ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und andere Wege zur Vermeidung der Kündigung ausgeschöpft sind. Dies ist jedoch nur das letzte Mittel und setzt besondere Voraussetzungen voraus.
Kann man eine Abfindung bei einer betriebsbedingten Kündigung erhalten?
Ja, der Arbeitgeber kann bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung anbieten. Diese kann bereits mit der Kündigungserklärung verbunden sein. Der Arbeitnehmer muss jedoch die Kündigung akzeptieren und darf keine Kündigungsschutzklage einreichen, um die Abfindung zu erhalten.
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